Als Dr. Joachim Zucker-Reimann sprach, war es ringsum so still auf dem Alten Friedhof in Hiltrup, dass man die Blätter im leichten Abendwind rascheln hören könnte. Der Leiter der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe unseres Krankenhauses schilderte in schlichten, kurzen Wortfolgen die letzten Sekunden seines Innehaltens beim Ultraschall, bevor er werdenden Eltern mitteilen muss, dass das winzige Herzchen im Bauch der Mutter aufgehört hatte, zu schlagen.
Dieses sich Vergewissern, Sammeln, sekundenschnelles Einfühlen. Mit welchen genau für diese Frau oder dieses Elternpaar passenden Worten setzt man sie in Kenntnis und fängt gleichzeitig auf? Von einer Sekunde auf die andere verwandelt man Freude in Leid. Niemand der Anwesenden beneidete den Arzt um diese bittere Facette der Geburtshilfe.
Gekommen waren die Gäste (unter ihnen u. a. Mitglieder der Gemeinde St. Clemens, des Hebammenteams, der Seelsorge und weitere Vertreter vom Herz-Jesu-Krankenhaus, der evangelischen Nachbargemeinde sowie die Künstlerin Monika Vernauer und Bestatterin Angela Thieme) zur Einsegnung des Begräbnisfeldes "Moseskörbchen" durch Pfarrer Mike Netzler.
Hier, in der Nähe der Trauerhalle, können nun die Kinder beerdigt werden, die aufgrund der Bestimmungen bislang schlicht "in der Pathologie verschwanden". Das galt für Babys, die "still" (also nicht lebend) in der 14. bis 22. Schwangerschaftswoche geboren wurden und unter 500 g wogen. "Auch diese Kinder hinterlassen Spuren in der Biografie ihrer Familien", verdeutlichte HJK-Seelsorger Andreas Garthaus in seiner Einführungsansprache, "aber den Eltern wurde kein Erinnerungsort zugestanden."
Nun gibt es ihn mitten in Hiltrup, und damit öffnet sich nicht nur Raum für Erinnerung, Gebet, Trauer und dem Ablegen von Blumen oder anderen Gedenksymbolen, sondern es öffnet auch die Lippen Betroffener, die lange lieber verschlossen blieben. Auch wenn sie gern gesprochen hätten: Wer will schon etwas von diesem Thema hören? Pfarrer Netzler bekundete in seiner Rede seine Betroffenheit und Überraschung, wie viele Menschen sich plötzlich offenbart hätten, seitdem von dem Projekt Moseskörbchen die Rede war.
Anteilnahme - das symbolisieren auch die vielen Hände, aus denen Künstlerin Monika Vernauer das Bronzekörbchen quasi gewoben hat. "Das Körbchen gibt Geborgenheit und Hände, die mittragen", sagte Garthaus.
Höhepunkt der stillen Feierlichkeit war nach Texten, gemeinsamen Liedern und Fürbitten die Segnung des Grabfeldes durch Pfarrer Netzler. Im Herzen nahm jeder das von Chefarzt Dr. Zucker-Reimann geäußerte Paradoxon für sich mit: Die Freude über das lauschige, tröstliche Grabfeld mit dem gleichzeitigen Wunsch, dass man dessen eigentlich nicht bedürfe.